19.07.2013
Kursbuch für die räumliche Entwicklung der Region Südlicher Oberrhein
Freiburg / Offenburg. Die Verbandsversammlung des Regionalverbands Südlicher Oberrhein hat in ihrer gestrigen Sitzung (18.07.2013) in Offenburg den Offenlage-Entwurf des Regionalplans gebilligt. Damit können ab Herbst dieses Jahres Kommunen, Fachbehörden und Verbände sowie alle Bürgerinnen und Bürger zum Entwurf des neuen Regionalplans für die Region Südlicher Oberrhein Stellung nehmen. Vorausgegangen ist dem gestrigen Beschluss ein über zweijähriges Planungsverfahren, in dem der Regionalverband umfangreiche Grundlagen über Umweltzustand, Siedlungsentwicklung und Planungsabsichten der Städte und Gemeinde zusammengetragen und bewertet hat.
„Nach fast 20 Jahren schreiben wir ein neues Kursbuch für die räumliche Entwicklung der Region“ fasst Verbandsdirektor Dieter Karlin die Arbeit am Regionalplan zusammen. Nachdem der bisherige Regionalplan in weiten Teilen unverändert seit 1995 besteht bzw. sogar auf das Jahr 1980 zurückgeht, war es an der Zeit, ihn vollständig neu zu fassen. Denn die Rahmenbedingungen haben sich seit Anfang der 90er Jahre erheblich verändert: Das Internet war allenfalls an den Hochschulen angekommen, alle Teile der Region profitierten stark von Zuwanderern aus den neuen Bundesländern, eine TGV-Verbindung von Freiburg nach Paris war ein ferner Wunsch, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien war alles andere als politischer Konsens.
Raumnutzungskonflikte nehmen zu
Die zentrale Herausforderung für die Verwaltung des Regionalverbands war es, mit dem vorliegenden Entwurf des Regionalplans allen fachlichen und den bekannten kommunalpolitischen Anforderungen gerecht zu werden. In vielen Bereichen der Rheinebene kann man geradezu beispielhaft sehen, wie die verschiedenen Interessen für die Nutzung der Fläche aufeinanderprallen: Die Kiesindustrie verlangt einen weiteren Abbau von Rohstoffen, die Landwirtschaft sieht sich schrumpfenden Ackerflächen gegenüber, infolge des Klimawandels benötigen wir größere Rückhalteräume für den Hochwasserschutz, die Energiewende erfordert neue Flächen für Energieanlagen und nicht zuletzt sehen viele Städte und Gemeinden Bedarf, weitere Wohn- und Gewerbegebiete auszuweisen.
Der Entwurf des Regionalplans greift alle diese Themen auf und setzt sie in Form textlicher Festlegungen („Plansätze“) sowie zeichnerischen Darstellungen (Strukturkarte im Maßstab 1 : 200.000 und Raumnutzungskarte im Maßstab 1 : 50.000) um. Dabei orientiert sich der Regionalplan erstmals am Prinzip der „Nachhaltigkeit“ als übergeordneter raumordnerischer Leitvorstellung. Hinzukommt der Anspruch, Klimaschutz und Klimaanpassung in der Regionalplanung zu verankern. Verbandsdirektor Dieter Karlin: „Als regionaler Impulsgeber leistet der Regionalverband seit Jahren einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zu einer nachhaltigen Energieversorgung in der Region. Mit dem klimaoptimierten Regionalplan wollen wir nun sicherstellen, dass auch die Siedlungsentwicklung und der Freiraumschutz einen noch stärkeren Beitrag dazu leisten.“ Klimaoptimiert sind in diesem Sinne kompakte und energiesparende Siedlungsstrukturen, eine Region der „kurzen Wege“, die Sicherung der Grundwasservorkommen und der Kaltluftschneisen, der Erhalt möglicher Retensionsräume entlang der Bäche und Flüsse sowie die Vernetzung wichtiger Lebensräume der Tier- und Pflanzwelt.
Die Festlegungen des Regionalplans gliedern sich wie folgt:
Kapitel 1 stellt eine allgemeine Entwicklungsperspektive für die Region Südlicher Oberrhein dar. Hierzu zählen insbesondere die Chancen, die die Entwicklung der Trinationalen Metropolregion Oberrhein für die Region mit sich bringt.
Kapitel 2 setzt in Form von Entwicklungsachsen und Zentralen Orten ein Grundgerüst für die Siedlungsentwicklung. Für die Bereiche Wohnen, Gewerbe und Einzelhandel werden im Regionalplan Rahmenvorgaben gemacht, um insbesondere der demografischen Entwicklung und dem Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren, Rechnung zu tragen. Konkretisiert, also z. B. in ein neues Wohngebiet umgesetzt, werden diese Vorgaben anschließend durch die Flächennutzungsplanung der Städte und Gemeinden.
Die Kapitel 3.1 bis 3.4 legen Bereiche fest, die vor einer Besiedlung geschützt sind, um großräumig zusammenhängende Teile der freien Landschaft als solche zu erhalten, die Trinkwasserversorgung in der Region langfristig zu sichern oder den Hochwasserschutz in der Region zu verbessern. Besondere Handlungserfordernisse ergeben sich aufgrund der zunehmenden Siedlungsverdichtung entlang der großen Verkehrstrassen, zur Anpassung an den Klimawandel (z. B. durch das Offenhalten von Kaltluftschneisen) und zur Vernetzung der Lebensräume der Wildtiere („Biotopverbund“).
Kapitel 3.5 legt Bereiche fest, in denen oberflächennahe Rohstoffe abgebaut werden dürfen. „Die dort getroffenen Regelungen sind für unsere Rohstoffindustrie von elementarer Bedeutung, da eigene Rohstoffsicherungsgesetze des Bundes oder der Länder nicht existieren“, hebt Verbandsvorsitzender Otto Neideck hervor. Insbesondere die Förderung von Kies und Sand hat eine hohe Bedeutung. Infolge der hohen Ergiebigkeit am Rhein erfolgt rund ein Viertel der landesweiten Förderung dieser Baurohstoffe in der Region Südlicher Oberrhein.
Kapitel 4 widmet sich der Regionalen Infrastruktur, d. h. dem Verkehr und der Energieversorgung. Die konkrete Planung erfolgt in diesen Themen jedoch auf Landes- und Bundesebene (z. B. im Bundesverkehrswegeplan) oder unmittelbar durch die Kommunen (z. B. zur Windenergienutzung). Dabei hebt Verbandsdirektor Dieter Karlin hervor: „Die Festlegung von Windkraft-Vorranggebieten haben wir vom vorliegenden Entwurf des Regionalplans abgekoppelt, damit wir genügend Zeit für intensive Abstimmungen mit den parallel planenden Städten und Gemeinden haben.“
Bei allen Themen muss die Regionalplanung gemäß ihres Auftrags zwischen landesplanerischen Vorgaben und kommunalen Entwicklungsabsichten vermitteln. Das ist, so der Verbandsvorsitzende, Otto Neideck, eine zeitintensive, jedoch ebenso lohnenswerte Kommunikationsaufgabe. „Anspruch des vorliegenden Regionalplan-Entwurfs ist es, die richtige Balance zwischen regionalen Leitplanken auf der einen und kommunaler Beinfreiheit auf der anderen Seite zu finden.“
Beteiligungsphase startet im September
Neideck verweist damit auch auf die anstehende Offenlage des Regionalplans. In dieser Zeit besteht für Jedermann die Möglichkeit, zu den geplanten Festlegungen Stellung zu nehmen. Ebenso bietet die Beteiligungsphase die Möglichkeit, Planungen, Projekte und Entwicklungsabsichten so voranzutreiben, dass sie ggf. vom Regionalplan berücksichtigt werden können. „Alle Änderungsvorschläge werden von uns ergebnisoffen geprüft und anschließend von der Verbandsversammlung beraten“, stellt Verbandsdirektor Karlin klar.
Der Regionalverband Südlicher Oberrhein – gegründet am 8. November 1973 – ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Freiburg. Sein politisches Hauptorgan ist die Verbandsversammlung. Ihre 80 Mitglieder werden vom Gemeinderat der Stadt Freiburg sowie den Kreistagen der Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen und des Ortenaukreises für fünf Jahre gewählt.
Der gesetzliche Auftrag des Regionalverbands umfasst die Regionalplanung, die Landschaftsrahmenplanung sowie Maßnahmen zur Stärkung der teilräumlichen Entwicklung, zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Institutionen und zur Abstimmung raumbedeutsamer Maßnahmen. Als kommunale Institution unterstützt und berät der Regionalverband die Städte und Gemeinden in allen planungsrelevanten Fragen. Er versteht sich bei der Vertretung regional bedeutsamer Interessen gegenüber Bund und Land als „Sprachrohr der Region“.