Satzungsbeschluss zum Regionalplankapitel Windenergie

26.01.2018

19 mal Vorrang für die Windkraftnutzung – auch am Gschasikopf


Die Verbandsversammlung des Regionalverbands Südlicher Oberrhein hat in ihrer gestrigen Sitzung in Offenburg die Ergänzung des Regionalplans um das Kapitel Windenergie als Satzung festgestellt. Damit wurde das über vier Jahre währende Aufstellungs- und Beteiligungsverfahrens abgeschlossen und der seit 22.09.2017 rechtsgültige „Regionalplan 3.0“ wird vervollständigt. Nun ist das zuständige Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau am Zug, auch diesen Teil des neuen Regionalplans zu genehmigen.

„Es gibt einen großen gesellschaftlichen Konsens, Alternativen zum Atom- und Kohlestrom aufzubauen. Das heute beschlossene Regionalplankapitel Windenergie ist ein klares Bekenntnis der Region, ihren Beitrag zur Energiewende, zu einer nachhaltigen und dezentralen Stromerzeugung zu leisten“, so der Verbandsvorsitzende Otto Neideck. Neben dieser regionalpolitischen Bedeutung haben die Festlegungen – auch unter den Rahmenbedingungen der 2012 vom Landtag beschlossenen komplementären Zuständigkeit der kommunalen und der regionalen Planungsebenen – weiterhin eine wichtige Steuerungsfunktion: „Keine Gemeinde darf mit ihren Planungen oder Maßnahmen einen Ausschluss von Windkraftanlagen innerhalb der 19 heute festgelegten Gebiete erwirken“, stellt Verbandsdirektor Dieter Karlin heraus. „Der Regionalplan sichert so die am besten für eine Nutzung der Windenergie geeigneten und vergleichbar konfliktärmsten Räume in der Region vor entgegenstehenden Planungen und Maßnahmen.“

Um all diese Informationen zusammenzutragen und darüber hinaus die Planungsabsichten der Städte und Gemeinden sowie die konkreten Betroffenheiten der Bürgerinnen und Bürgern berücksichtigen zu können, ist dem heutigen Satzungsbeschluss ein umfangreiches Beteiligungsverfahren vorausgegangen. In zwei Runden, im ersten Quartal 2015 sowie im dritten Quartal 2017, konnten sowohl die Kommunen, Fachbehörden und Naturschutzverbände als auch die Öffentlichkeit zu den geplanten Festlegungen im Regionalplan Stellung nehmen. In zwei Sitzungen hat sich der Planungsausschuss abwägend mit allen (insg. über 1.000) vorgetragenen Anregungen und Bedenken zum Planentwurf auseinandergesetzt und einen Beschluss gefasst, ob und ggf. wie die einzelne Anregung berücksichtigt wird. Diese zu bearbeiten war, wie es Verbandsvorsitzender Neideck ausdrückt, „eine große Her-ausforderung für die Verbandsverwaltung und erneut eine schwierige Aufgabe für die Damen und Herren Regionalräte“. Alle Einwender werden nach Genehmigung des Regionalplankapitels 4.2.1 Windenergie im Einzelnen über den Umgang mit Ihren Anregungen informiert.

Dass am Ende des Planungsprozesses gerade diese 19 Gebiete mit zusammen rund 1.100 Hektar Größe im Regionalplan festgelegt wurden, hat sehr unterschiedliche Gründe:

  • In der bewegten Topografie des Schwarzwalds werden oft nur in sehr kleinen Bereichen Windgeschwindigkeiten erreicht, die eine wirtschaftliche Nutzung der Windenergie erwarten lassen. (Im Plankonzept des Regionalverbands wurde hierzu eine Mindestwindhöffigkeit von 6,0 m/s in 140 m Höhe über Grund angesetzt.) Zugleich sollten alle Gebiete so groß sein, dass dort mindestens drei Windkraftanlagen Platz finden („Bün-delungsprinzip“).

  • Weitere Gebiete konnten aus Gründen des Landschaftsbilds, das heißt zur Vermeidung etwaiger Überlastungserscheinungen durch Windkraftanlagen, nicht beibehalten werden. Verbandsdirektor Karlin: „In einem rechtssicheren und regionsweiten Planungsverfahren kann sich die Bewertung des Landschaftsbilds nicht auf die subjektive Einschätzung von Einzelpersonen stützen. Hier bedarf es einer systematischen, transparenten und einheitlichen Auswertung.“ Er zeigt sich überzeugt, dass auf dieser Grundlange die möglichen Abwägungsspielräume zum Schutz des Landschaftsbilds genutzt wurden: „Die regional festgelegten Gebiete sind für sich genommen und in Summe betrachtet raum- und landschaftsverträglich.“

  • Dazu kommt ein großer Katalog an zwingenden oder abzuwägenden Gründe, die im Einzelfall einer Festlegung des Vorranggebiets für die Windenergienutzung entgegenstanden: Abstände zu bewohnten Gebäuden, Landschafts- und Naturschutzgebiete, Niststandorte windkraftsensibler Vogelarten, Sichtbeziehungen auf denkmalgeschützte Anlagen und viele weitere Kriterien mehr. Darunter nicht zuletzt das Auerwild-Vorkommen im Schwarzwald.


Die Frage nach dem Erhalt der Lebensräume des Auerhuhns ist es auch, die die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen am Gschasikopf auf Gemarkung der Stadt Elzach zuletzt erneut unsicher machte. Während die kommunale Flächennutzungsplanung das Gebiet 2015 noch als Konzentrationszone für eine Windenergienutzung Rechtskraft erlangen konnte, hat die Höhere Naturschutzbehörde (Regierungspräsidium Freiburg) im Rahmen ihrer Stellungnahme zum zweiten Offenlage-Entwurf der Regionalplan-Teilfortschreibung eine Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen im Bereich des Gschasikopfs als nicht gegeben angesehen. Nachdem von Seiten des Umweltministeriums Baden-Württemberg als Oberste Naturschutzbehörde bislang keine fachliche Einschätzung dazu vorliegt, hatte die Verbandsgeschäftsstelle vorgeschlagen, auf die Festlegung des Vorranggebiets Nr. 62 - Gschasikopf zu verzichten.

Für die Mitglieder der Verbandsversammlung überwog demgegenüber das Interesse an einem Ausbau der Windenergie und der Berücksichtigung des rechtskräftigen Flächennutzungsplans des Gemeindeverwaltungsverbands. Mit großer Mehrheit hat sich das Gremium in seiner gestrigen Sitzung für den Beibehalt des im zweiten Offenlage-Entwurf enthaltenen Gebiets am Gschasikopf ausgesprochen. Neben den damit berücksichtigten kommunalen und energiewirtschaftlichen Interessen fordert die als Satzung getroffene Festlegung dieses Vorranggebiets das Umweltministerium dazu auf, die artenschutzrechtliche Zulässigkeit der Planung abschließend zu prüfen. Verbandsvorsitzender Neideck und Verbandsdirektor Karlin stimmen überein: „Wir bleiben hoffnungsvoll, dass dem rechtsgültigen Flächennutzungsplan der Stadt Elzach noch zur Umsetzung verholfen werden kann und damit eines der windstärksten Gebiete unserer Region genutzt werden kann.“

Analog zum Gebiet Gschasikopf wurden auch die teils umstrittenen, teils von Seiten der Belegenheitsgemeinden abgelehnten Vorranggebiete

  • Nr. 7 - Braunberg auf Gemarkung der Stadt Oppenau und der Gemeinde Bad Peterstal-Griesbach sowie

  • Nr. 10 - Geigenköpfle/Schnaigbühl auf Gemarkung der Gemeinden Friesenheim und Hohberg

von der Verbandsversammlung gestern mit sehr großer Mehrheit in den Regionalplan aufgenommen.

Insgesamt wird mit dem als Satzung beschlossenen Regionalplankapitel (über die 23 innerhalb der Vorranggebiete bereits bestehenden bzw. genehmigten Anlagen hinaus) Planungsrecht für rund 60 zusätzliche Windkraftanlagen modernen Typs geschaffen. Bei einer durchschnittlichen Nennleistung von 3 MW summiert sich dies bei durchschnittlichen Windverhältnissen (zurückhaltend geschätzt) auf 250 bis 300 Mio. kWh Strom pro Jahr, die durch Windkraftanlagen in der Region erzeugt werden könnten. Somit ließe sich mit den 60 zusätzlichen Windkraftanlagen der durchschnittliche Stromverbrauch von 80.000 bis 100.000 Privathaushalten decken. (Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von zusammen 94,5 MW in der Region installiert. Aus diesen wurden 2016 rund 144 Mio. kWh Strom ins Netz eingespeist.)